Unternehmerisch denken - wichtiger denn je

Auch in einem herausfordernden Marktumfeld schaffte es der EDEKA-Verbund im Jahr 2022, seine führende Rolle im deutschen Lebensmitteleinzel­handel zu behaupten. Der Vorstand der EDEKA ZENTRALE Stiftung & Co. KG nimmt Stellung zur aktuellen Lage und zur strategischen Ausrichtung für die Zukunft des Verbunds.

Herr Mosa, 2022 war zweifellos ein schwieriges Jahr für den deutschen Handel. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Markus Mosa: Das ist richtig. Nach zwei von der Corona-Pandemie geprägten Jahren hat der russische Überfall auf die Ukraine alles verändert. Den betroffenen Menschen in der Ukraine beizustehen, war und ist von höchster Bedeutung. Doch auch die Folgen für die deutsche Wirtschaft waren gravierend. Zunächst einmal die drohende Gasknappheit und explodierende Energiepreise, die die Existenz vieler mittelständischer Betriebe gefährdeten. Dann die massiven Verwerfungen auf den internationalen Rohstoffmärkten. Das alles verbunden mit einer stark sinkenden Lieferfähigkeit der Industrie. Im Herbst erreichte die Inflation mit mehr als zehn Prozent den Höchststand der vergangenen 70 Jahre. Die Kaufkraft der Verbraucherinnen und Verbraucher ist signifikant gesunken, viele Menschen sind gezwungen, weniger und vor allem günstiger einzukaufen. Dem müssen wir uns stellen.

Markus Mosa, Vorstandsvorsitzender EDEKA ZENTRALE Stiftung & Co. KG

Dennoch blicken Sie zuversichtlich in die Zukunft?

Markus Mosa: Im Jahr 2022 haben wir die Folgen der eben beschriebenen Entwicklungen direkt gespürt. Wir haben es zwar geschafft, in einem schwierigen Umfeld weiter zu wachsen: Unser Gesamtumsatz stieg um 5,6 Prozent auf 66,2 Milliarden Euro. Aber dieses Wachstum blieb hinter der Dynamik der Vorjahre zurück. Erstmals entwickelte sich unser Discountgeschäft mit Netto Marken-Discount wieder stärker als unser traditionelles Kerngeschäft, das Vollsortimentsgeschäft mit EDEKA-Super- und Verbrauchermärkten. Auch das sicherlich eine Folge veränderter Verbraucherbedürfnisse. Aber genau darauf stellen wir uns ein, und ich bin zuversichtlich, dass uns das im neuen Jahr noch besser gelingt.

Wir denken unternehmerisch. Keine andere Organisationsform unseres Wirtschaftssystems ist so sehr in der Lage, sich immer wieder neu zu erfinden und Herausforderungen anzunehmen, wie die Genossenschaft.

Markus Mosa

Vorstandsvorsitzender EDEKA ZENTRALE Stiftung & Co. KG

Mit welchem Anspruch und Ziel?

Markus Mosa: Unser Anspruch im EDEKA-Verbund muss es weiterhin sein, eine vielfältige Ver­sor­gung der Menschen in Deutschland sicherzustellen, mit hochwertigen und verantwortungsvoll erzeugten Lebens­mitteln, zu bestmöglichen Preisen. Wir haben es in der Hand, die scheinbaren Widersprüche zu­sammenzubringen: ein genussvolles, service­orientiertes Einkaufserlebnis verbunden mit Preiswürdigkeit in allen Sortimentsbereichen.

Martin Scholvin, Vorstand Finanzen und Personal, EDEKA ZENTRALE Stiftung & Co. KG

Herr Scholvin, nicht nur auf den Lebensmitteleinzelhandel wächst der Kostendruck stetig. Das wirkt sich auch auf das Investitionsklima aus. Ist nun vorerst das Ende der Fahnenstange erreicht?

Martin Scholvin: Im Gegenteil: Wir streben für das laufende Jahr einen neuen Höchstwert bei unseren Investitionen an. Das Volumen beläuft sich auf insgesamt rund drei Milliarden Euro, die unser Unternehmensverbund 2023 in die logistische Infrastruktur und unsere Produktionsbetriebe, in immer energieeffizientere Märkte und Fachmarktkonzepte, in nachhaltigere Sortimente und den digitalen Wandel stecken wird. Und nicht zuletzt investieren wir in die Menschen, in unsere Teams auf allen drei Handelsstufen. Mit dieser Strategie eröffnen wir den EDEKA-Kaufleuten stetig zusätzlichen unternehmerischen Spielraum, stärken ihre Wettbewerbsfähigkeit und schaffen weitere Wachstumsperspektiven.

EDEKA und Netto Marken-Discount sind sichere Arbeitgeber mit wachstumsstarken Marktformaten. Wir bieten ein einzigartiges Aufstiegsprogramm vom Azubi bis hin zur Selbstständigkeit mit eigenem Supermarkt.

Martin Scholvin

Vorstand Finanzen und Personal, EDEKA ZENTRALE Stiftung & Co. KG

Herr Mosa, nun ist es nicht zu übersehen, dass die Kundinnen und Kunden angesichts der hohen Inflation stärker denn je auf den Preis achten.

Markus Mosa: Das ist richtig, aber EDEKA-Kundinnen und -Kunden müssen nicht noch zum Discounter, denn in jedem EDEKA-Markt finden sie mehr als 7.000 Produkte zum Discountpreis. Und sie müssen nicht mehr zum Fachmarkt, weil wir auch diese Sortimente abbilden: mit unseren Bedienungstheken für Fleisch, Käse oder Fisch, mit unseren Bäckereien und Backshops oder mit unseren NATURKIND-Welten, die echte Bio-Fachhandelsqualität bieten. Und das alles unter dem EDEKA-Dach vereint. Auch Netto Marken-Discount hat ein deutlich tieferes Sortiment als der Discount-Wettbewerb, was die Kundinnen und Kunden sehr schätzen.

Auseinandersetzungen mit der Industrie sind also unvermeidbar? Wie schafft es der EDEKA-Verbund denn, seine Preiswürdigkeit bei den Kundinnen und Kunden dauerhaft zu sichern?

Markus Mosa: Wir sind mit unseren Sortimenten preislich absolut wettbewerbsfähig. Die nationalen und regionalen Eigenmarkenprogramme haben entscheidenden Anteil daran. 2022 ist die Nachfrage nach unseren Eigenmarkenartikeln regelrecht durch die Decke gegangen. Unsere Kundinnen und Kunden wissen, dass ihre Qualität mindestens gleichwertig, oft aber sogar besser ist als die vergleichbarer Marken – und das zum deutlich günstigeren Preis. Auch im Markengeschäft stehen wir ganz klar auf der Seite der Verbraucherinnen und Verbraucher. Ungerechtfertigte Preiserhöhungen sind mit uns nicht zu machen. EDEKA investiert – trotz steigender Kosten in erheblichem Maß, um die Verkaufspreise für Lebensmittel möglichst stabil zu halten. Wir fordern die Markenindustrie auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und die Inflation nicht weiter künstlich in die Höhe zu treiben.

Herr Meineke, auch im Kommunikationsmix des vergangenen Jahres lag der Tenor verbundweit auf dem Thema „Preis“.

Claas Meineke: Das ist richtig. Mit der Kampagne „In jedem EDEKA steckt ein Discounter“ haben wir 2022 unsere Preiswürdigkeit prominent in den Vordergrund gerückt. Flankiert wurde sie durch regionale Kampagnen, beispielsweise den „Inflationsstopp“. Und es bleibt enorm wichtig, unseren preissensiblen Kundinnen und Kunden diese Tatsache über alle Kanäle immer wieder vor Augen zu führen. Die genussvollste Einkaufsstätte sind wir bereits. Aber in der Preiswahrnehmung unserer Kundinnen und Kunden müssen wir noch stärker werden. Dazu gehört auch, diese Kernaussage in den Märkten und über alle Sortimente hinweg kontinuierlich erlebbar zu machen.

Claas Meineke, Vorstand Marketing und Vertrieb, EDEKA ZENTRALE Stiftung & Co. KG

In welcher Weise transportiert die aktuelle EDEKA-Kampagne „Im Herzen vereint“ diesen Ansatz?

Claas Meineke: Unter unserem Markendach machen wir als Vollsortimenter das scheinbar Unmögliche möglich. Wir vereinen vermeintliche Gegensätze wie preisgünstige Produkte, Qualität und Vielfalt miteinander. Tiefpreise und Hochgenuss sind bei EDEKA zwei Seiten derselben Medaille. Getrieben durch unsere Eigenmarken werden unsere Sortimente außerdem immer nachhaltiger. Panda­bären und Sparfüchse verstehen sich bei uns blendend. Da ist es nur logisch, dass wir unsere erfolgreiche Partnerschaft mit dem WWF 2022 um weitere zehn Jahre verlängert haben. Zeitgemäße Lebensmittel­kultur bietet den Menschen maximalen Genuss mit bestem Gewissen zum besten Preis. Das ist die Kernaussage von „Im Herzen vereint“.

Die genussvollste Einkaufsstätte sind wir bereits. Aber in der Preiswahrnehmung unserer Kundinnen und Kunden müssen wir noch stärker werden.

Claas Meineke

Vorstand Marketing und Vertrieb, EDEKA ZENTRALE Stiftung & Co. KG

Herr Scholvin, eben erwähnten Sie bereits die Menschen im EDEKA-Verbund. Bekommt auch EDEKA den Fachkräftemangel zu spüren?

Martin Scholvin: Ja, das ist so. Vor allem im Einzelhandel, und hier im Bereich Service und Bedienung. Grundsätzlich gelingt es uns aber weiterhin gut, Nachwuchskräfte und Professionals für unseren Unternehmensverbund zu gewinnen. Schließlich haben wir überzeugende Argumente: EDEKA und Netto Marken-Discount sind sichere Arbeitgeber mit wachstumsstarken Marktformaten. Wir bieten ein einzigartiges Aufstiegsprogramm vom Azubi bis hin zur Selbstständigkeit mit eigenem Supermarkt. Und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der Fläche profitieren von flexiblen Arbeitsmodellen und attraktiver Vergütung.

Herr Mosa, was erwarten Sie für das laufende Geschäftsjahr?

Markus Mosa: Die Lage bleibt herausfordernd. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir alle Chancen, die sich uns bieten, gemeinsam ergreifen und nutzen können. Wir setzen auf maximale Kundenorientierung und wollen Innovation und Nachhaltigkeit in unseren Lieferketten weiter vorantreiben. Ganz entscheidend dafür ist und bleibt die Tatkraft unserer rund 409.000 Kolleginnen und Kollegen auf allen Stufen. Bei ihnen möchten wir uns an dieser Stelle besonders bedanken. Wir sind ein starkes Team, auf allen Ebenen und in allen Unternehmen des Verbunds – darauf können wir auch in Zukunft bauen.

"Fokussiert. Fair. Verantwortungsvoll."

Wer hätte das Anfang 2022 gedacht: Nach zwei Jahren Pandemie flackerte so etwas wie ein Funke Hoffnung auf Normalität in den Herzen vieler Menschen auf. Und dann das: Der von Russland initiierte Angriffskrieg und die damit verbundene humanitäre Katastrophe in der Ukraine haben alles verändert. Bereits über ein Jahr lang schwebt nunmehr die größte Bedrohung seit Ende des Zweiten Weltkriegs über Europa. Der Überfall hinterlässt auch hierzulande Spuren. Nicht nur der deutsche Lebensmitteleinzelhandel sieht sich einem gefährlichen Cocktail aus geopolitischer Instabilität, energiepolitischer Alternativlosigkeit und weitgehend unmöglicher finanzieller Kalkulierbarkeit gegenüber. Für Extremsituationen wie diese schlossen sich die Gründerväter unseres genossenschaftlichen Verbunds zusammen.

Wir Edekanerinnen und Edekaner sind nicht nur symbolisch „im Herzen vereint“. Tag für Tag handeln wir als eingeschworene Gemeinschaft. Fokussiert, fair und verantwortungsvoll. Und einmal mehr war es diese enorme Teamleistung, die uns auch im vergangenen Jahr stark gemacht hat. Ich bedanke mich herzlich bei allen EDEKA-Kaufleuten sowie den deutschlandweit 409.000 Kolleginnen und Kollegen im Groß- und Einzelhandel für ihren Einsatz, ihre Loyalität und ihren langen Atem unter diesen äußerst schwierigen Rahmenbedingungen. Unser gemeinsames Ziel lautet, allen Verbraucherinnen und Verbrauchern in unseren Märkten jeden Tag die passenden Angebote zu machen. Das ist die Seele des Vollsortiments. Die EDEKA-DNA. Handelsleistungen einzuschränken, auch wenn wir uns mit in dieser Form noch nicht da gewesenen Herausforderungen konfrontiert sehen, macht keinen Sinn. Wir können sowohl Preiswürdigkeit als auch Genuss als auch Regionalität und vieles mehr. Das macht unseren Markenkern aus. Und das dürfen unsere Kundinnen und Kunden jederzeit von uns erwarten.

Uwe Kohler, selbstständiger EDEKA-Kaufmann sowie Vorsitzender des Kuratoriums der EDEKA ZENTRALE Stiftung und Vorsitzender des Verwaltungsrats der EDEKA ZENTRALE Stiftung & Co KG.